Veränderungen meistern
Wie werden Veränderungen berechenbar?

Verän­derun­gen sind unver­mei­dlich und notwendig, um uns an neue Umge­bun­gen anzu­passen, doch sie kön­nen uns auch über­wälti­gen. Beleucht­en wir den typ­is­chen Ablauf von Verän­derung­sprozessen und warum manche Men­schen Angst davor haben, während andere schein­bar müh­e­los damit umge­hen.

Beitrag erstellt: 30.8.2023 | Zuletzt modifiziert: 1.9.2024

Verän­derun­gen sind notwendig — ohne sie kön­nten wir uns nicht auf neue Umge­bun­gen ein­stellen und wür­den mit den bish­eri­gen Strate­gien immer schlechter zurechtkom­men. Gle­ichzeit­ig über­fordern uns zu viele Verän­derun­gen gle­ichzeit­ig. Im ver­gan­genen Beitrag habe ich bere­its viel über Sta­bil­ität vs. Verän­derung aufgezeigt, jet­zt betra­cht­en wir das von außen, als Zuschauer.

Wir schauen uns den Ablauf jed­er Verän­derung an. So unter­schiedlich jede einzelne sein mag, so gle­ich ist immer ihr Ablauf. Es erk­lärt, warum manche Men­schen panis­che Angst vor Verän­derun­gen haben, warum manche den Gedanken haben, in ein tiefes Loch zu fall­en, wenn nicht alles gle­ich bleibt und warum manche gefühlt alles über­winden kön­nen, ohne große Anstren­gun­gen. Betra­cht­en wir den Ver­­änderungs­­prozess (nach Vir­ginia Satir).

Der Ablauf des Ver­­änderungs­­prozesses

Wir befind­en uns durchge­hend in Verän­derung­sprozessen, allerd­ings in unter­schiedlichen Sta­di­en. Und wenn wir einen abgeschlossen haben, ist das bere­its der Beginn des näch­sten. Doch der Rei­he nach:

Der Prozess beste­ht aus fünf Sta­di­en, welche auf ein­er Lin­ie dargestellt ist. Diese schaut ein biss­chen aus wie das Wurzel-Zeichen, das wir im Math­e­matikun­ter­richt bis zum Umfall­en ver­wen­det haben, um krasse Sachen zu machen (√ ). Egal, seht selb­st.

Das Veränderungsmodell nach Virginia Satir

Die fol­gen­den Sta­di­en gibt es:

  1. Sta­tus Quo — alles ist gewohnt und ver­traut
  2. Verän­derung — Etwas fremdes tritt ein. Oft möchte man es noch nicht wahrhaben und leis­tet Wider­stand gegen die Verän­derung
  3. Chaosphase — alles ist chao­tisch und kein Land ist in Sicht
  4. Anpas­sung — die Strate­gien wer­den angepasst und es wird ver­sucht, mit der neuen Sit­u­a­tion zurechtzukom­men
  5. Neuer Sta­tus Quo — die neuen Strate­gien greifen nun so gut, dass ein neues Gle­ichgewicht ent­standen ist. Hof­fentlich bess­er als davor.

Jet­zt wird es Zeit, die einzel­nen Prozessphasen genauer zu durch­leucht­en

1. (der alte) Status Quo

Alles ist gewohnt und Ver­traut. Hier herrscht Sta­bil­ität und Sicher­heit, bei allem was passiert ist bekan­nt, was für Auswirkun­gen es haben wird. Es heißt nicht, dass Sie zufrieden mit diesem Sta­tus-Quo sind — aber Sie sehen zumin­d­est keinen Grund / keine Möglichkeit, diesen Zus­tand zu ver­lassen.

Eine Fam­i­lie, die sich seit Jahren ständig stre­it­et, kann in so einem Sta­tus Quo sein. Es mag jed­er unzufrieden mit der Sit­u­a­tion sein, aber jed­er Stre­it läuft ähn­lich ab und am Ende ist wieder alles wie vorher. Beim näch­sten Stre­it läuft dieser nach dem gle­ichen Muster ab wie der vorherige. Men­schen, denen Sta­bil­ität und Sicher­heit wichtig ist, set­zen viel Energie daran, in diesem Zus­tand zu behal­ten — so unpassend dieser auch sein mal. Denn es kann nicht gesagt wer­den, was für Auswirkun­gen eine Verän­derung mit­brin­gen wird.

2. Die Veränderung tritt ein

Jet­zt tritt eine Verän­derung ein. Entwed­er von einem sel­ber angestoßen oder von außen. Jet­zt gel­ten nicht mehr die Regeln aus dem ehe­ma­li­gen Sta­tus-Quo. Jet­zt kom­men zwei rel­e­vante Fra­gen:

  1. Ist bei dieser Verän­derung der Point of no return über­schrit­ten oder kann jed­erzeit wieder auf den alten Sta­tus Quo “zurück­ge­sprun­gen” wer­den?
  2. Gibt es eine beste­hende Strate­gie, mit der schnell die Verän­derung kon­trol­liert wer­den kann?

Die schnelle Lösung — Veränderung kann mit bestehenden Strategien gut gelöst werden

Glück­wun­sch, jet­zt wur­den die Wider­stand­sphase, das Chaos und das neue Ein­justieren im Tur­bo­durch­lauf über­wun­den und waren nur min­i­mal­is­tisch groß. Ein neue Sta­tus-Quo (Schritt 5) tritt ein, der ganz ähn­lich zum alten Zus­tand ist.

Ein sehr prak­tis­ches Beispiel: Sie kochen etwas und Ihre Zutat­en in der Pfanne köcheln vor sich hin. Sie wis­sen genau, was die fol­gen­den Schritte sind, Sie haben das bere­its oft gekocht. Weil Sie einen Anruf bekom­men haben, waren Sie etwas abge­lenkt und als Sie zurück­kom­men, bren­nen die Zutat­en bere­its leicht in der Pfanne an. Eine uner­wartete Verän­derung tritt ein. Wenn Sie jet­zt aus der Ver­gan­gen­heit noch Ideen haben wie Sie das Essen doch ret­ten kön­nen und diese greifen, gab es zwar ein kurzes Aufzuck­en, am Gesamtzu­s­tand hat sich jedoch nichts groß geän­dert. Für das näch­ste gle­iche Ereig­nis kön­nen Sie dann auch auf mehr Erfahrung zurück­greifen, somit ist der neue Zus­tand min­i­mal anders als der alte.

Widerstand tritt ein

Bei jed­er Verän­derung tritt als erstes Wider­stand auf, auch wenn Sie sich den Wan­del unbe­d­ingt her­beisehnen. Denn das Ver­lassen des Sta­tus Quo bedeutet Unsicher­heit, wo nicht klar ist, was die Zukun­ft bringt. Je größer die Verän­derung ist, desto größer wird auch der Wider­stand sein. Dieser zeigt sich durch Ver­leug­nung, Ablehnung und aktiv­en Wider­stand gegen den Wan­del. Jedoch liegt es an einem selb­st, wie lange man in diesem Zus­tand verbleiben möchte.

Diese Wider­stand­sphase mag kurz sein und nicht stark aus­geprägt, aber sie ist ein nor­maler Prozess bei den Verän­derun­gen. Wenn Sie aus dem Urlaub zurück­kehren und viele 100km nach Hause gefahren sind, kön­nen Sie sich noch gar nicht richtig vorstellen, daheim zu sein und wün­schen sich den Urlaub zurück, denken an die schö­nen Tage zurück. Nach ein paar Tagen haben Sie sich jedoch daran gewöh­nt. Das war eine ganz schwache Vari­ante von Ver­drän­gung, die jedoch ganz nor­mal ist.

Schw­er­wiegen­der wird es bei großen Verän­derun­gen: Todes­fälle oder Tren­nun­gen. Kog­ni­tiv hat man vielle­icht ver­standen, dass der Part­ner / die Part­ner­in nicht mehr da ist — emo­tion­al tritt eine starke Wider­stand­sphase ein, die sich den alten Zus­tand zurück­wün­scht. Denn jet­zt tritt eine gravierend andere, neue Zeit an mit vie­len Unsicher­heit­en. Ist die Wider­stand­sphase stark aus­geprägt, wird anstatt die Verän­derung zu akzep­tieren das Welt­bild so angepasst, dass es zwar ratio­nal nicht halt­bar ist, jedoch emo­tion­al Sta­bil­ität gibt. [Nach ein­er Tren­nung]“Sie will weit­er­hin bei mir bleiben, nur ihre Mut­ter will das nicht und zwingt sie, mich zu ver­lassen”. “Die anderen wollen mich am Boden hal­ten, deswe­gen geht es mir so schlecht.”, usw. Men­schen, die stark an Ver­schwörungs­the­o­rien glauben, befind­en sich in dieser Phase.

Damit eine Verän­derung erfol­gre­ich absolviert wer­den kann, muss diese Phase jedoch über­wun­den wer­den und akzep­tiert wer­den, dass sie nun ein Teil des Lebens ist.

3. Chaosphase

Es ist akzep­tiert, dass eine Verän­derung wirk­lich stat­tfind­et — aber wie man mit dieser zurechtkom­men soll, das ist über­haupt nicht ersichtlich und bere­it­et einem große Angst. Wird man das meis­tern?

Es ist sehr wichtig, diese Phase zuzu­lassen und zu akzep­tieren, dass es diese Chaosphase gibt. Sie ist nicht “schlecht”, da Äng­ste und Unsicher­heit auftritt, son­dern essen­tiell, um eine passendende neue Strate­gie zu find­en.

“Würdige das Chaos”

Viele Men­schen mögen die Phase nicht und wollen gle­ich zu den Lösun­gen kom­men. Das ist ein­er­seits ver­ständlich, da sich Äng­ste und Unsicher­heit erst mal nicht gut anfühlen. Diese Gefüh­le haben allerd­ings auch eine Botschaft: “Die eige­nen Bedürfnisse sind in Gefahr. Stelle die Sicher­heit wieder her”. Seien sie froh um diesen Kom­pass, der Ihnen sagt, wenn etwas nicht passt. Denn so haben Sie die Chance, zu ein­er passenden Lösung zu kom­men.

Wenn Sie zu schnell zu ein­er neuen Lösung wech­seln, holt Sie sich nur eine, die für jemand anderes gut funk­tion­iert — aber das heißt noch lange nicht, dass es bei Ihnen selb­st auch gut geht. Viele Rat­ge­ber im Inter­net propagieren, Super-Lösun­gen zu haben. “Tue die 9 Schritte wie [Name ein­er berühmten Per­son] und du wirst das Leben rock­en”. Ja, es mag sein, dass das bei Per­son X funk­tion­iert — bei Ihnen muss das noch nicht zutr­e­f­fen. Acht­en Sie auf Ihre Gefüh­le, wenn eine mögliche Lösung auf dem Tisch liegt. Wenn Sie gle­ich Bedenken- / ein flaues Gefühl haben, suchen Sie wieder weit­er. Eine bessere Lösung kommt bes­timmt.

4. Anpassungsphase

Mit der Zeit find­en Sie Strate­gien, wie Sie bess­er mit der Sit­u­a­tion zurecht kom­men kön­nen. Das wird am Anfang noch nicht zu 100% passen, allerd­ings kön­nen Sie diese mit der Zeit immer weit­er ver­fein­ern. Es wird immer wieder Fehlschläge geben, diese hin­dern Sie aber nicht daran, immer weit­er auszupro­bieren. In Kon­takt mit anderen Men­schen etablieren sich langsam die Rollen, die jed­er in Zukun­ft ein­nehmen wird.

Eventuell hat Ihnen die Verän­derung so zuge­set­zt, dass Sie keine Möglichkeit­en mehr sehen und resig­nieren, bzw. aufgeben. Auf den ersten Blick wider­spricht das der Sicht, dass Sie sich der Sit­u­a­tion anpassen. Allerd­ings ist das genau­so eine Strate­gie, die Sie auswählen kön­nen. In diesem Fall ist die Strate­gie, dass die Änderun­gen nicht zu gestal­ten und nichts ändern wollen. Das ist die energies­parend­ste Möglichkeit, allerd­ings mit der höch­sten Wahrschein­lichkeit, dass es nicht so wird, wie Sie es sich vorstellen.

5. Neuer Status Quo

Irgend­wann haben Sie sich so sehr an die neue Sit­u­a­tion angepasst, dass es für Sie der neue Nor­malzu­s­tand ist (eine Homöostase ist erre­icht). Im besten Fall ist dieser Zus­tand bess­er als der vorherge­hende, anson­sten müssten Sie weit­ere Verän­derun­gen anstoßen. Die Beziehun­gen zu anderen Per­so­n­en ist jeden­falls auch wieder sta­bil, d.h. das Chaos ist wieder ver­flo­gen und die neuen Rollen sind fest­gelegt. Sie kön­nen sich eventuell auch gar nicht mehr vorstellen, wie das Leben ohne diese Änderung war.

Eventuell sind noch nicht alle zufrieden mit diesem neuen Gle­ichgewicht — aber nach der Verän­derung ist vor der näch­sten Verän­derung. Eventuell wer­den die näch­sten Verän­derun­gen auch wesentlich klein­er sein, so dass Sie die Chaos- und Anpas­sungsphase nicht mehr so heftig durch­leben müssen.

Veränderungen Schritt für Schritt meistern (#2)

Im ver­gan­genen Artikel habe ich bere­its einige Fra­gen mit­gegeben, um Schritt für Schritt Verän­derun­gen zu meis­tern. Diese sind bere­its sehr gut, haben jedoch die Verän­derung­sprozesse außer Acht gelassen. Mit fol­gen­den Fra­gen bekom­men Sie einen besseren Blick über die derzeit­i­gen Verän­derun­gen in Ihrem Leben. Die fol­gende Grafik gibt Ihnen wieder eine gute Über­sicht.

  • Denken Sie an die fol­gen­den Lebens­bere­iche: Wo erken­nen Sie diesen Prozess wieder?
    • Arbeit
    • Fam­i­lie
    • Hob­bies / Pro­jek­te
    • usw.
  • In welchem Schritt befind­en Sie sich dabei jew­eils?
  • Gibt es einen Bere­ich, bei dem Sie in der Wider­stand­sphase fest­steck­en, obwohl die Verän­derung offen­sichtlich ist?
  • Falls das zutrifft: Was wäre das schlimm­st­mögliche, was passieren kön­nte? Bzw. was kön­nte in der Chaosphase auf Sie zukom­men?
  • Wie kön­nte ein neuer Sta­tus-Quo für Sie auss­chauen?
  • Was kön­nten Sie tun, um diesen neuen Zus­tand zu erre­ichen?

Fazit

Das Leben beste­ht aus Verän­derun­gen und sobald man durch­schaut hat, nach welchem Prozess diese ablaufen, wirkt alles gle­ich viel berechen­bar­er. Sobald ein mod­er­ates Maß an Verän­derung zur Nor­mal­ität wird, steigt auch die Zuver­sicht, dass bei unge­planten danach alles gut gehen wird.

Deswe­gen gibt es hier noch zum Abschluss ein passendes Zitat, ange­blich von Ein­stein, jedoch ver­mut­lich ihm eher hinzugedichtet.

Die Def­i­n­i­tion von Wahnsinn ist, immer wieder das Gle­iche zu tun und andere Ergeb­nisse zu erwarten.”

(ange­blich) Albert Ein­stein (Quelle: profil.at)

Welche Verän­derun­gen ste­hen ger­ade in Ihrem Leben an? In welch­er Phase befind­en Sie sich? Schreiben Sie es gerne als Kom­men­tar 🙂

  • Homöostase
  • Stabilität
  • Veränderung

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