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Manuel GelsenSystemisch leben

Ändern oder nicht ändern - das ist hier die Frage

Manche Menschen lieben sie, möchten jeden Tag etwas neues erleben, andere verabscheuen diese und bevorzugen eher Sicherheit und Stabilität. Es geht um die Veränderung und Wandel. Sie gehört zu unserem Leben mit dazu wie das Amen in der Kirche – alleine unsere Geburt ist eine gigantische Veränderung. Hier erfahren Sie, wie Sie Veränderungen meistern können.

Veränderungen gehören zum Leben dazu – von der Geburt bis zum Lebensende

Wir leben erst geschützt vor äußeren Einflüssen innerhalb des Bauches unserer Mutter und werden über eine Nabelschnur mit Nahrung versorgt. Dann treten einige chemische Prozesse Ihren Gang an und kurze Zeit später sind wir draußen in dieser unwirklichen Welt, haben diese sichere Umgebung verlassen und alles ist erst einmal ungewohnt und fremd. Plötzlich ist alles heller, lauter und kälter und unsere Nahrung kommt nicht mehr von alleine durch die Nabelschnur… Vermutlich ist das eine der größten Veränderungen in unserem Leben, auch wenn wir uns nicht mehr daran erinnern können.

Wir können weiter in unser Leben schauen, überall finden weitere Veränderungen statt: Wir lernen essen, laufen, der Wechsel in den Kindergarten, in die Schule, die erste Partnerschaft, Auszug von zu Hause, usw.

Vereinfacht ausgedrückt: Veränderungen gehören einfach zum Leben mit dazu.

Eigene vs. von außen kommende Veränderungen

Es gibt zwei große Gruppen bei Veränderungen:

  • Eigene Veränderungen: Diese haben Sie unter Kontrolle: Sie gehen bewusst den Schritt, etwas neues zu wagen und sind sich bewusst, dass es schief gehen kann. Hier sind Sie handlungsfähig und diese Veränderungen fallen Ihnen leichter
  • Von außen kommende Veränderungen: Diese können plötzlich kommen oder auch voraussehbar, jedoch hat unser Handeln keine (große) Auswirkung darauf, ob diese eintritt oder nicht. Hier können wir uns hilfloser fühlen, da es außerhalb unserer Kontrolle geschieht. Die Corona-Pandemie ist ein gutes Beispiel. Was jedoch in unserer Kontrolle liegt: Die Reaktion, wie wir auf diese Veränderung umgehen

Die beiden Pole: Stabilität vs. Veränderung

Was passiert bei zu viel Veränderung? Wir fühlen uns überfordert und gestresst und verlieren die Kontrolle über die Situation. Andererseits gehört diese zum Leben mit dazu. Was ist „besser“? Veränderung oder Stabilität?

Es kommt darauf an… Und da wir konstruktivistisch denken, gibt es keine absolute Wahrheit, sondern jede Perspektive ist korrekt. Schauen wir uns beide Pole mit ihren Vor- und Nachteilen an.

Stabilität und Sicherheit

Wenn wir Stabilität benötigen, müssen bestimmte Abläufe immer gleich sein. Dadurch können wir die Aufgaben an unser Unterbewusstsein abgeben und unsere Energie für andere Sachen verwenden. Wenn wir beim Laufen jedes mal darüber nachdenken müssten, welches Bein wir heben müssten, wie wir jetzt unser Gleichgewicht setzen müssten, usw., würden wir gar nicht mehr voran kommen. Es ist also gut, dass die Abläufe beim Laufen immer gleich sind, dadurch können wir ab einem bestimmten Alter laufen und gleichzeitig anderes machen.

Auch beim Auto fahren ist es gut, dass die Pedale für das Bremsen, Gas geben und kuppeln immer an der gleichen Stelle sind. Damit müssen wir durch etwas Übung keine Gedanken mehr über diese Abläufe machen und können uns z.B. auf den Verkehr konzentrieren. Wer schon einmal von einem Auto mit Kupplung zu einem Automatik gewechselt hat, weiß, was für eine Umgewöhnung alleine das fehlende Pedal sein kann. Fazit: Stabilität ist gut, da wir dadurch die Energie für anderes aufheben können.

Innerhalb des derzeitigen Systems war es möglich, einen kunstvollen Bogen zu bauen. Solange sich der Zustand nicht ändert und z.B. Wind weht, wird diese Brücke bestehen bleiben.

Vorteile von Stabilität und Sicherheit

  • Wir haben unsere Strategien so angepasst, dass alles berechenbar ist
  • Die Abläufe sind uns dadurch vertraut, wir wissen was uns erwartet
  • Wir können unsere Energie für andere Sachen verwenden
  • In einer Beziehung zu einer Person, wissen wir die Abläufe und was uns erwartet, wenn wir etwas tun. Wir sind vielleicht nicht zufrieden damit, aber sowohl die Vorzüge, als auch Nachteile sind wie abgesteckt

Nachteile von Stabilität und Sicherheit

  • Wenn sich von außen etwas ändert, wirken unsere bisherigen Strategien nicht mehr wie davor. Eventuell gar nicht mehr.
  • Wir haben zwar vielleicht unsere Abläufe auf die derzeitige Situation optimiert – allerdings wäre vielleicht durch etwas mehr Veränderung ein besserer Zustand erreicht worden

Veränderung und Wandel

Wenn wir durchgehend in unserem gewohnten Umfeld bleiben, haben wir keine Chance uns weiter zu entwickeln. Wenn wir also mit etwas unzufrieden sind und möchten, dass sich das ändert, muss auch eine Veränderung stattfinden. Dann greifen jedoch unsere gewohnten Strategien nicht mehr so, bzw. wir wissen nicht ob wir diese weiter verwenden können. Diese Ungewissheit kann eine Angst erzeugen und uns an dem bisherigen Status-Quo festhalten. Eventuell sogar so stark, dass wir die veränderten Lebensumstände so ausblenden, als ob die Veränderung gar nicht stattgefunden hätte. Dann wird die gesamte Energie darauf investiert, die Veränderung zu verdrängen oder zu relativieren. Während der Corona-Zeit ist das sehr gut aufgefallen: Einige Menschen waren so überfordert mit den Auswirkungen der Pandemie, dass sie ihre gesamte Energie in das Ausblenden und Leugnen gesteckt haben, da die Situation vor der Pandemie (für die meisten Menschen) wesentlich positiver war als währenddessen.

Menschen, die sich schnell auf die neue Situation einstellen konnten, fanden diese oft auch nicht gut, haben jedoch ihre Energie nicht in das Relativieren der neuen Situation gesteckt, sondern versucht, ihre bisherigen Strategien bestmöglichst an die neue Situation anzupassen. Während der Coronazeit fanden die Änderungen fast tageweise statt: An dem einen Tag hat etwas gegolten, was am nächsten Tag schon wieder veraltet war. Wir mussten uns durchgehend auf neue Veränderungen einstellen, was natürlich sehr viel Energie von uns erfordert hat – gleichzeitig waren viele unserer Energiequellen wie Freunde treffen oder Sport machen plötzlich nicht mehr / nur noch stark eingeschränkt möglich.

Wenn man auf Veränderungen vorbereitet ist, lässt einen auch ein plötzlicher Regen in den Bergen nicht kalt.

Vorteile von Veränderung und Wandel

  • „Surviving of the fittest“ Wer sich am schnellsten an neue Situationen anpassen kann, hat die besten Chancen in der neuen Situation weiter zu kommen
  • Durch Veränderung haben wir die Chance, die für uns negativ empfundenen Auswirkungen zu reduzieren, indem wir neue Strategien ausprobieren, die besser funktionieren
  • Kreativität entsteht erst nur durch eine gewisse Bereitschaft, neues auszuprobieren und nicht zu wissen, was am Ende herauskommt.
  • Es kann auch sein, dass wir Fehler machen und bemerken, dass eine bestimmte Form der Veränderung nicht gut für uns ist. Das gehört zu Veränderungen mit dazu. Dann ändern wir unsere Strategie, damit sich in Zukunft die Auswirkungen reduzieren.

Nachteile von Veränderung und Wandel

  • Wir wissen nicht, was die Zukunft bringen wird. Wird der neue Zustand nach der Veränderung für uns besser oder schlechter sein? Und was für einen Strategie müssen wir wählen, damit die negativen Auswirkungen für uns möglichst gering sind?
  • Diese Ungewissheit lässt Angst entstehen, eventuell wird auch viel Energie verwendet, um das Problem zu verdrängen und zu relatieren.
  • Veränderungen kosten Energie. Bis wir uns auf die neue Situation eingestellt- und unsere Strategien auf die neue Situation ausgelegt haben, können wir diese nicht in anderes investieren.

Schritt für Schritt zu kontrollierten Veränderungen

Stellen Sie sich vor, Sie haben gerade ein Problem und möchten unbedingt, dass es gelöst wird. Eventuell haben Sie auch schon vieles probiert, aber es ist immer noch da. Gehen wir Schritt für Schritt vor, um mehr Erkenntnisse zu bekommen und Veränderungen durchführen zu können, die für uns berechenbarer sind. Diese Fragen helfen Ihnen dabei.

Wenn Sie Schritt für Schritt Veränderungen angehen, erreichen Sie irgendwann die letzte Stufe. Vielleicht ist mittlerweile Ihr Ziel wo anders, aber es war besser als es gar nicht zu versuchen.

1. Status-Quo ermitteln

Wir schauen uns den derzeitgen Zustand an, der vor der Veränderung existiert hat.

  • Was sind die Merkmale des derzeitigen Zustands? Woran erkennen Sie, dass sich noch nichts verändert hat?
  • Wie geht es Ihnen in diesem Zustand? Wünschen Sie sich eine Veränderung?
  • Was finden Sie in diesem Zustand gut und dürfte sich unter keinen Umständen ändern?
  • Was ist in diesem Zustand nicht so gut und darf sich gerne ändern? In welcher Form darf sich das ändern?

2. Veränderung ermitteln

Wir schauen uns die Veränderung an, die eintreten wird. Oder wenn Sie noch nicht wissen, was genau passieren wird, Ihre Hoffnungen und Ängste, die dabei mit auftreten.

  • Was sind die Merkmale der Veränderung? Woran erkennen Sie, dass diese eingetreten ist?
  • Wie geht es Ihnen mit der Veränderung? Finden Sie diese eher gut oder eher schlecht?
  • Was an der Veränderung ist besser als bei dem bisherigen Zustand, so klein der Aspekt auch sein mag?
  • Was an der Veränderung ist schlechter?
  • Was ist das bestmögliche, was Ihnen in der neuen Situation passieren kann?
  • Was ist das schlimmstmögliche, was Ihnen in der neuen Situation passieren kann?

3. Neue Strategien ermitteln

Jetzt wissen Sie mehr über den derzeitigen Zustand und was sich verändern wird. Jetzt wird es Zeit, neue Strategien zu finden, mit denen Sie gut in der veränderten Situation zurecht kommen

  • Was können Sie tun, um in der veränderten Situation die negativen Aspekte zu minimieren?
  • Was können Sie tun, um in der veränderten Situation die positiven Aspekte zu erhöhen?
  • Ist es möglich, auf den derzeitigen Zustand zurück zu gehen, falls die Veränderung nicht so ist wie Sie es möchten?
    • Wenn ja, woran erkennen Sie, dass Sie wieder auf den Status-Quo zurück gehen?
  • Was wäre ein erster Schritt (Ihre erste Strategie), um die neue Situation zu verbessern?
  • Woran erkennen Sie, dass diese neue Strategie erfolgreich war?

Fazit

Nicht alle Veränderungen können wir uns aussuchen. Manche kommen von außen und wir können nur reagieren. Aber auch in diesen können wir versuchen, das bestmögliche aus der Situation zu machen. Ziel ist es Stabilität und Veränderung so in der Waage zu haben, dass wir uns auf neue Situationen anpassen können, jedoch auch stets dank gleich bleibender Elemente die Kontrolle über die Situation beibehalten

Zum Abschluss ein kleines (aus dem Zusammenhang gerissenes) Zitat von Bob Ross, vielleicht ermutigt es Sie zu kleinen Veränderungen 🙂

Wir machen keine Fehler, nur glückliche kleine Unfälle.

(We don’t make mistakes. We just have happy accidents.)

Bob Ross (Quelle: Huffington Post)

  • Sicherheit
  • Stabilität
  • Strategie
  • Veränderung
  • Wandel
Von Manuel Gelsen, 16.8.2023
Zuletzt modifiziert: 19.9.2023

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Ich bin Systemischer Berater, befinde mich derzeit in Weiterbildung zum Systemischen Familientherapeuten, somit bin ich nicht als Psychologischer Psychotherapeut, Arzt oder Psychiater ausgebildet.
In Beratungen stehen psychische Krankheiten deshalb bei mir nicht im Fokus. Ich betrachte Sie als Mensch, bei dem Krankheiten zwar vorkommen und Auswirkungen haben können, aber Ihr Leben ist mehr als nur Ihre Krankheit. Ihre Gefühle, Familie, Freunde, Umgebung, Bewältigungsstrategien, etc. – all das wirkt sich auf Sie aus. Der Fokus liegt also auf Ihnen als Ganzes und nicht nur auf einem bestimmten Aspekt Ihres Lebens.

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