Sicherheit vs. Veränderung
Ändern oder nicht ändern — das ist hier die Frage

Wir alle brauchen sowohl Sicher­heit als auch Verän­derung in unserem Leben. Sicher­heit gibt uns ein Gefühl von Gebor­gen­heit, während Verän­derung notwendig ist, um zu wach­sen und uns anzu­passen. Aber manch­mal fühlt es sich schw­er an, bei­des in Ein­klang zu brin­gen. Wie find­en wir die richtige Bal­ance zwis­chen Verän­derung und Sicher­heit, damit wir uns wohlfühlen und gle­ichzeit­ig bere­it sind für Neues.

Beitrag erstellt: 16.8.2023 | Zuletzt modifiziert: 1.9.2024

Manche Men­schen lieben sie, möcht­en jeden Tag etwas neues erleben, andere ver­ab­scheuen diese und bevorzu­gen eher Sicher­heit und Sta­bil­ität. Es geht um die Verän­derung und Wan­del. Sie gehört zu unserem Leben mit dazu wie das Amen in der Kirche — alleine unsere Geburt ist eine gigan­tis­che Verän­derung. Hier erfahren Sie, wie Sie Verän­derun­gen meis­tern kön­nen.

Verän­derun­gen gehören zum Leben dazu — von der Geburt bis zum Lebensende

Wir leben erst geschützt vor äußeren Ein­flüssen inner­halb des Bauch­es unser­er Mut­ter und wer­den über eine Nabelschnur mit Nahrung ver­sorgt. Dann treten einige chemis­che Prozesse Ihren Gang an und kurze Zeit später sind wir draußen in dieser unwirk­lichen Welt, haben diese sichere Umge­bung ver­lassen und alles ist erst ein­mal unge­wohnt und fremd. Plöt­zlich ist alles heller, lauter und käl­ter und unsere Nahrung kommt nicht mehr von alleine durch die Nabelschnur… Ver­mut­lich ist das eine der größten Verän­derun­gen in unserem Leben, auch wenn wir uns nicht mehr daran erin­nern kön­nen.

Wir kön­nen weit­er in unser Leben schauen, über­all find­en weit­ere Verän­derun­gen statt: Wir ler­nen essen, laufen, der Wech­sel in den Kinder­garten, in die Schule, die erste Part­ner­schaft, Auszug von zu Hause, usw.

Vere­in­facht aus­ge­drückt: Verän­derun­gen gehören ein­fach zum Leben mit dazu.

Eigene vs. von außen kommende Veränderungen

Es gibt zwei große Grup­pen bei Verän­derun­gen:

  • Eigene Verän­derun­gen: Diese haben Sie unter Kon­trolle: Sie gehen bewusst den Schritt, etwas neues zu wagen und sind sich bewusst, dass es schief gehen kann. Hier sind Sie hand­lungs­fähig und diese Verän­derun­gen fall­en Ihnen leichter
  • Von außen kom­mende Verän­derun­gen: Diese kön­nen plöt­zlich kom­men oder auch vorausse­hbar, jedoch hat unser Han­deln keine (große) Auswirkung darauf, ob diese ein­tritt oder nicht. Hier kön­nen wir uns hil­flos­er fühlen, da es außer­halb unser­er Kon­trolle geschieht. Die Coro­na-Pan­demie ist ein gutes Beispiel. Was jedoch in unser­er Kon­trolle liegt: Die Reak­tion, wie wir auf diese Verän­derung umge­hen

Die beiden Pole: Stabilität vs. Veränderung

Was passiert bei zu viel Verän­derung? Wir fühlen uns über­fordert und gestresst und ver­lieren die Kon­trolle über die Sit­u­a­tion. Ander­er­seits gehört diese zum Leben mit dazu. Was ist “bess­er”? Verän­derung oder Sta­bil­ität?

Es kommt darauf an… Und da wir kon­struk­tivis­tisch denken, gibt es keine absolute Wahrheit, son­dern jede Per­spek­tive ist kor­rekt. Schauen wir uns bei­de Pole mit ihren Vor- und Nachteilen an.

Stabilität und Sicherheit

Wenn wir Sta­bil­ität benöti­gen, müssen bes­timmte Abläufe immer gle­ich sein. Dadurch kön­nen wir die Auf­gaben an unser Unter­be­wusst­sein abgeben und unsere Energie für andere Sachen ver­wen­den. Wenn wir beim Laufen jedes mal darüber nach­denken müssten, welch­es Bein wir heben müssten, wie wir jet­zt unser Gle­ichgewicht set­zen müssten, usw., wür­den wir gar nicht mehr voran kom­men. Es ist also gut, dass die Abläufe beim Laufen immer gle­ich sind, dadurch kön­nen wir ab einem bes­timmten Alter laufen und gle­ichzeit­ig anderes machen.

Auch beim Auto fahren ist es gut, dass die Ped­ale für das Brem­sen, Gas geben und kup­peln immer an der gle­ichen Stelle sind. Damit müssen wir durch etwas Übung keine Gedanken mehr über diese Abläufe machen und kön­nen uns z.B. auf den Verkehr konzen­tri­eren. Wer schon ein­mal von einem Auto mit Kup­plung zu einem Automatik gewech­selt hat, weiß, was für eine Umgewöh­nung alleine das fehlende Ped­al sein kann. Faz­it: Sta­bil­ität ist gut, da wir dadurch die Energie für anderes aufheben kön­nen.

Inner­halb des derzeit­i­gen Sys­tems war es möglich, einen kun­stvollen Bogen zu bauen. Solange sich der Zus­tand nicht ändert und z.B. Wind weht, wird diese Brücke beste­hen bleiben.

Vorteile von Stabilität und Sicherheit

  • Wir haben unsere Strate­gien so angepasst, dass alles berechen­bar ist
  • Die Abläufe sind uns dadurch ver­traut, wir wis­sen was uns erwartet
  • Wir kön­nen unsere Energie für andere Sachen ver­wen­den
  • In ein­er Beziehung zu ein­er Per­son, wis­sen wir die Abläufe und was uns erwartet, wenn wir etwas tun. Wir sind vielle­icht nicht zufrieden damit, aber sowohl die Vorzüge, als auch Nachteile sind wie abgesteckt

Nachteile von Stabilität und Sicherheit

  • Wenn sich von außen etwas ändert, wirken unsere bish­eri­gen Strate­gien nicht mehr wie davor. Eventuell gar nicht mehr.
  • Wir haben zwar vielle­icht unsere Abläufe auf die derzeit­ige Sit­u­a­tion opti­miert — allerd­ings wäre vielle­icht durch etwas mehr Verän­derung ein besser­er Zus­tand erre­icht wor­den

Veränderung und Wandel

Wenn wir durchge­hend in unserem gewohn­ten Umfeld bleiben, haben wir keine Chance uns weit­er zu entwick­eln. Wenn wir also mit etwas unzufrieden sind und möcht­en, dass sich das ändert, muss auch eine Verän­derung stat­tfind­en. Dann greifen jedoch unsere gewohn­ten Strate­gien nicht mehr so, bzw. wir wis­sen nicht ob wir diese weit­er ver­wen­den kön­nen. Diese Ungewis­sheit kann eine Angst erzeu­gen und uns an dem bish­eri­gen Sta­tus-Quo fes­thal­ten. Eventuell sog­ar so stark, dass wir die verän­derten Leben­sum­stände so aus­blenden, als ob die Verän­derung gar nicht stattge­fun­den hätte. Dann wird die gesamte Energie darauf investiert, die Verän­derung zu ver­drän­gen oder zu rel­a­tivieren. Während der Coro­na-Zeit ist das sehr gut aufge­fall­en: Einige Men­schen waren so über­fordert mit den Auswirkun­gen der Pan­demie, dass sie ihre gesamte Energie in das Aus­blenden und Leug­nen gesteckt haben, da die Sit­u­a­tion vor der Pan­demie (für die meis­ten Men­schen) wesentlich pos­i­tiv­er war als während­dessen.

Men­schen, die sich schnell auf die neue Sit­u­a­tion ein­stellen kon­nten, fan­den diese oft auch nicht gut, haben jedoch ihre Energie nicht in das Rel­a­tivieren der neuen Sit­u­a­tion gesteckt, son­dern ver­sucht, ihre bish­eri­gen Strate­gien best­möglichst an die neue Sit­u­a­tion anzu­passen. Während der Coro­n­azeit fan­den die Änderun­gen fast tageweise statt: An dem einen Tag hat etwas gegolten, was am näch­sten Tag schon wieder ver­al­tet war. Wir mussten uns durchge­hend auf neue Verän­derun­gen ein­stellen, was natür­lich sehr viel Energie von uns erfordert hat — gle­ichzeit­ig waren viele unser­er Energiequellen wie Fre­unde tre­f­fen oder Sport machen plöt­zlich nicht mehr / nur noch stark eingeschränkt möglich.

Wenn man auf Verän­derun­gen vor­bere­it­et ist, lässt einen auch ein plöt­zlich­er Regen in den Bergen nicht kalt.

Vorteile von Veränderung und Wandel

  • “Sur­viv­ing of the fittest” Wer sich am schnell­sten an neue Sit­u­a­tio­nen anpassen kann, hat die besten Chan­cen in der neuen Sit­u­a­tion weit­er zu kom­men
  • Durch Verän­derung haben wir die Chance, die für uns neg­a­tiv emp­fun­de­nen Auswirkun­gen zu reduzieren, indem wir neue Strate­gien aus­pro­bieren, die bess­er funk­tion­ieren
  • Kreativ­ität entste­ht erst nur durch eine gewisse Bere­itschaft, neues auszupro­bieren und nicht zu wis­sen, was am Ende her­auskommt.
  • Es kann auch sein, dass wir Fehler machen und bemerken, dass eine bes­timmte Form der Verän­derung nicht gut für uns ist. Das gehört zu Verän­derun­gen mit dazu. Dann ändern wir unsere Strate­gie, damit sich in Zukun­ft die Auswirkun­gen reduzieren.

Nachteile von Veränderung und Wandel

  • Wir wis­sen nicht, was die Zukun­ft brin­gen wird. Wird der neue Zus­tand nach der Verän­derung für uns bess­er oder schlechter sein? Und was für einen Strate­gie müssen wir wählen, damit die neg­a­tiv­en Auswirkun­gen für uns möglichst ger­ing sind?
  • Diese Ungewis­sheit lässt Angst entste­hen, eventuell wird auch viel Energie ver­wen­det, um das Prob­lem zu ver­drän­gen und zu relatieren.
  • Verän­derun­gen kosten Energie. Bis wir uns auf die neue Sit­u­a­tion eingestellt- und unsere Strate­gien auf die neue Sit­u­a­tion aus­gelegt haben, kön­nen wir diese nicht in anderes investieren.

Schritt für Schritt zu kontrollierten Veränderungen

Stellen Sie sich vor, Sie haben ger­ade ein Prob­lem und möcht­en unbe­d­ingt, dass es gelöst wird. Eventuell haben Sie auch schon vieles pro­biert, aber es ist immer noch da. Gehen wir Schritt für Schritt vor, um mehr Erken­nt­nisse zu bekom­men und Verän­derun­gen durch­führen zu kön­nen, die für uns berechen­bar­er sind. Diese Fra­gen helfen Ihnen dabei.

Wenn Sie Schritt für Schritt Verän­derun­gen ange­hen, erre­ichen Sie irgend­wann die let­zte Stufe. Vielle­icht ist mit­tler­weile Ihr Ziel wo anders, aber es war bess­er als es gar nicht zu ver­suchen.

1. Status-Quo ermitteln

Wir schauen uns den derzeit­gen Zus­tand an, der vor der Verän­derung existiert hat.

  • Was sind die Merk­male des derzeit­i­gen Zus­tands? Woran erken­nen Sie, dass sich noch nichts verän­dert hat?
  • Wie geht es Ihnen in diesem Zus­tand? Wün­schen Sie sich eine Verän­derung?
  • Was find­en Sie in diesem Zus­tand gut und dürfte sich unter keinen Umstän­den ändern?
  • Was ist in diesem Zus­tand nicht so gut und darf sich gerne ändern? In welch­er Form darf sich das ändern?

2. Veränderung ermitteln

Wir schauen uns die Verän­derung an, die ein­treten wird. Oder wenn Sie noch nicht wis­sen, was genau passieren wird, Ihre Hoff­nun­gen und Äng­ste, die dabei mit auftreten.

  • Was sind die Merk­male der Verän­derung? Woran erken­nen Sie, dass diese einge­treten ist?
  • Wie geht es Ihnen mit der Verän­derung? Find­en Sie diese eher gut oder eher schlecht?
  • Was an der Verän­derung ist bess­er als bei dem bish­eri­gen Zus­tand, so klein der Aspekt auch sein mag?
  • Was an der Verän­derung ist schlechter?
  • Was ist das best­mögliche, was Ihnen in der neuen Sit­u­a­tion passieren kann?
  • Was ist das schlimm­st­mögliche, was Ihnen in der neuen Sit­u­a­tion passieren kann?

3. Neue Strategien ermitteln

Jet­zt wis­sen Sie mehr über den derzeit­i­gen Zus­tand und was sich verän­dern wird. Jet­zt wird es Zeit, neue Strate­gien zu find­en, mit denen Sie gut in der verän­derten Sit­u­a­tion zurecht kom­men

  • Was kön­nen Sie tun, um in der verän­derten Sit­u­a­tion die neg­a­tiv­en Aspek­te zu min­imieren?
  • Was kön­nen Sie tun, um in der verän­derten Sit­u­a­tion die pos­i­tiv­en Aspek­te zu erhöhen?
  • Ist es möglich, auf den derzeit­i­gen Zus­tand zurück zu gehen, falls die Verän­derung nicht so ist wie Sie es möcht­en?
    • Wenn ja, woran erken­nen Sie, dass Sie wieder auf den Sta­tus-Quo zurück gehen?
  • Was wäre ein erster Schritt (Ihre erste Strate­gie), um die neue Sit­u­a­tion zu verbessern?
  • Woran erken­nen Sie, dass diese neue Strate­gie erfol­gre­ich war?

Fazit

Nicht alle Verän­derun­gen kön­nen wir uns aus­suchen. Manche kom­men von außen und wir kön­nen nur reagieren. Aber auch in diesen kön­nen wir ver­suchen, das best­mögliche aus der Sit­u­a­tion zu machen. Ziel ist es Sta­bil­ität und Verän­derung so in der Waage zu haben, dass wir uns auf neue Sit­u­a­tio­nen anpassen kön­nen, jedoch auch stets dank gle­ich bleiben­der Ele­mente die Kon­trolle über die Sit­u­a­tion beibehal­ten

Zum Abschluss ein kleines (aus dem Zusam­men­hang geris­senes) Zitat von Bob Ross, vielle­icht ermutigt es Sie zu kleinen Verän­derun­gen 🙂

Wir machen keine Fehler, nur glück­liche kleine Unfälle.

(We don’t make mis­takes. We just have hap­py acci­dents.)

Bob Ross (Quelle: Huff­in­g­ton Post)

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Bitte beachten Sie, dass die Beiträge nur meine Sichtweise wiederspiegeln und ich keine Wissenschaftliche Korrektheit garantieren kann.
Sollten Sie Ideen und Anleitungen von mir gut finden und umzusetzen, liegt das in Ihrer eigenen Verantwortung, nicht in meiner.

Meine Beiträge ersetzen keine medizinische, psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlungen. Sollten Sie unter schwerwiegenden psychischen oder emotionalen Problemen leiden, empfehle ich Ihnen dringend, dass Sie sich an einen qualifizierten Therapeuten, Psychiater oder Arzt wenden.

Ich bin Systemischer Berater, mit (noch nicht abgeschlossener) Weiterbildung zum Systemischen Familientherapeuten. Ich bin nicht als Psychologischer Psychotherapeut, Arzt oder Psychiater ausgebildet.
Deshalb stehen in meinen Beratungen keine psychischen Krankheiten im Fokus. Ich betrachte Sie als Mensch, bei dem Krankheiten zwar vorkommen und Auswirkungen haben können, aber Ihr Leben ist mehr als nur Ihre Krankheit. Ihre Gefühle, Familie, Freunde, Umgebung, Bewältigungsstrategien, etc. – all das wirkt sich auf Sie aus. Der Fokus liegt also auf Ihnen als Ganzes und nicht nur auf einem bestimmten Aspekt Ihres Lebens.

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